Dienstag, 28. Oktober 2008

Wieder auferstanden: Christoph Schlingensief

Er ist ein Schreckgespenst für den bürgerlichen Kulturgenießer und seit Neuestem auch für alle, die glauben, auf der sicheren Seite zu sein, bloß weil sie keine Zigarette (mehr) anrühren: Der Regisseur Christoph Schlingensief bekam im Januar 2008 die Diagnose "Lungenkrebs", obwohl er gar nicht raucht. Es musste ihm ein Lungenflügel amputiert werden und er durchlief eine sehr peinvolle Chemotherapie - na eben alles, was die moderne Medizin so hergibt. Nichtraucher-Krebs heißt das, und alle denken an Helmut Schmidt und dass der ja wohl (unbegreiflicherweise) 100 Jahre alt werden kann. Könnte.

Was sagt das Horoskop?
Christoph Schlingensief wurde am 24. Oktober 1960 in Oberhausen geboren,
Zeichnung rechts (zum Vergrößern bitte anklicken).

Ein Skorpion also, mit Merkur ebenfalls im Skorpion, im Quadrat zu Uranus. Einer, der um sein Leben redet, alle totquatscht, die nicht schnell genug mitschwingen und gerne das Thema wechselt, vorgibt, umdreht, verdreht, abbricht usw. Ein Querkopf, Freigeist - und für manche auch ein ziemlicher Wirrkopf. (Sehr deutlich kommt das im Interview mit Wassermann Alexander Kluge auf Schlingensiefs Homepage heraus, der springt ja auch von Hölzchen auf Stöckchen. Link am Ende dieses Artikels.)
Auf jeden Fall hat Schlingensief stets
empfängliche und sendebereite Antennen.

Natürlich hat er nach der schlimmen Diagnose die Krebs-Literatur verinnerlicht, nach der ein Krebs 2-3 Jahre wächst, bevor er entdeckt wird, und in seinem Fall machte das auch Sinn. Er inszenierte "damals" in Bayreuth, mit viel Anspannung und jeder Menge Vorsehungen. "
Ich bin damit in eine gewisse Todesnähe gerutscht, die mich stark angegriffen hat! Die andauernde Beschäftigung über Jahre mit dieser Todesnähe im Parsifal-Stoff, das wurde fast zu viel. Wenn man permanent auf eine Stelle haut, dann wird sie wund und bricht irgendwann mal auf."
Dem Tagesspiegel sagte er vor seinem Bayreuth-Debüt im Juli 2004: „Ich bin der festen Überzeugung, dass ich nach ,Parsifal’ Krebs kriege, wie Heiner Müller.“

Tja, und diesen Gedanken hat Gott offensichtlich ernst genommen und den impliziten Wunsch erfüllt.
"Ich habe dem Krebs eine Tür geöffnet", sagte er der Frankfurter Rundschau.
Und: "
Ich habe dieses Weltabschiedswerk in Bayreuth näher an mich herangelassen, als es mir zuträglich war. Man braucht dafür, wie man oft hören kann, eine gewisse Reife. Die hatte ich nicht. Ich hatte auch keinen Schutzpanzer, keine eingeübte Professionalität, im Umgang mit der Oper, ich hatte sozusagen ungeschützten Verkehr mit diesem Werk."

Diese Formulierung finde ich unglaublich zutreffend für jede Beschäftigung mit Kunst und Musik überhaupt. Eigentlich erwarten wir das ja von einem Künstler - dass er sich ungeschützt Dingen aussetzt, die wir Normalos nur aus "gesunder" Distanz wahrnehmen. Der Künstler geht voraus und klärt schon mal die schlimmsten Infektionsmöglichkeiten ab. Manchmal überlebt er es auch nicht.
Das ist doch Neptun - finde ich. Neptun steht ja bei Schlingensief recht nah bei der Sonne. Und der südliche Mondknoten in Fische hat auf jeden Fall die große Bereitschaft, sich hinzugeben bis zur Auflösung.
Und wo kann man das besser, als zur (Wagner-) Musik.

Aber noch ist er uns erhalten geblieben. Interessant ist, dass zeitlich passend zur Krebs-Diagnose der düstere Pluto über Schlingensiefs Jupiter wanderte. Fülle, Wachstum, Ausbreitung. Eigentlich das, was wir von der Kunst erwarten, dass sie dem normalen Leben noch etwas hinzufügt. Da haben die Körperzellen wohl böse was missverstanden.

Der Regisseur Schlingensief gibt selbst folgenden Ratschlag:
"Wenn Dein Leben sich in eine Tragödie verwandelt - nimm die Position des Zuschauers ein."
Klingt nach Theater - und sehr uranisch.

Schlingensiefs Homepage mit vielen interessanten Interviews



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